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Grenzgebiete Europas

Die Europa-Union Rendsburg-Eckernförde machte im letzten Jahr einen Ausflug in die deutsch-dänische Grenzregion. Grenzgebiete sind immer ein beliebtes Feld, Vergleiche mit anderen europäischen Grenzlagen zu erwirken. Der Autor möchte nun einen Versuch des Vergleichs mit der Grenzregion in der Nordeifel wagen, dem Dreiländereck Deutschland-Belgien und den Niederlanden.

1. Die Niederlande und Belgien bilden ein hochverwandtes und dennoch diverses Sprachgebiet. Im Norden Belgiens, in Flandern, spricht man Niederländisch, im Süden Belgiens, in der Wallonie, Französisch. In Brüssel erhalten Niederländisch und Französisch auf administrativem Wege gleichen Rang.

2. Die sprachlich-kulturelle Verwandtschaft ist in der Hocheifel und nach Süden in Richtung Nordluxemburg besonders auffällig. Hochdeutsch und das im Norden gesprochene Niederländisch stellen in der Hocheifel aber nicht die Volkssprache dar. Es geht beim Limburgischen und dem hochgradig verwandten Öscher Platt um mehr als um einen Dialekt. Das Französische in Belgien hat überschaubare Besonderheiten zur Standardsprache.

3. Belgien ist durch die Sprachzerklüftung niederländisch-französisch nach einer langen Streitperiode stark regionalisiert worden. Eine Trennung in eine flämische und wallonische Gemeinschaft und ergänzend in die Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel durchzieht das ganze Land. Eine ostbelgische Region um Eupen und St. Vith bildet die „Deutschsprachige Gemeinschaft“, gehört aber zu Wallonien.

4. Es gibt in Belgien ergänzend sog. Faszilitäten im Trennbereich der drei Sprachgrenzen, d. h. in einzelnen Gemeinden können nach Bedarf Sprachen der Nachbargemeinschaft im Verwaltungsverkehr benutzt werden. Über die Zuordnung nach Sprachgemeinschaften könnte örtlich in Ausnahmefällen neu abgestimmt werden, auch wenn es dazu bereits in einzelnen Fällen Wählervoten gegeben hat.

5. Dänemark lehnt gebietsmäßige Besonderheiten an der Südgrenze ab und orientiert sich an Minderheitsrechten, die gleichlautend mit Deutschland in getrennten Erklärungen definiert worden sind. Es soll auch keine dänischen zweisprachigen Ortschilder geben, wie sie in Schleswig-Holstein sehr zahlreich und mit großer örtlicher Unterstützung ergänzend mit Friesisch und mit Plattdeutsch aufgestellt werden. In Schleswig-Holstein gibt es einen Regionalplanungsraum „Landesteil Schleswig“.

6. In Belgien wird die Zwei-(Drei-)Sprachigkeit sehr weitgehend im öffentlichen Raum angewandt. Es gibt durch Frankophone eine zögerliche Anwendung des Niederländischen in Brüsseler Randgemeinden. Daher entsteht ein massiver
flämischer Druck, die Sprachgleichberechtigung müsse alle Bereiche, bis zur plakatierten Reklame in Brüssel und Produkterläuterungen bei Marktständen umfassen. Diese Anforderungen variieren sogar die Zugschaffner vorbildlich in deutschen ICEs Köln-Brüssel von Bahnhof zu Bahnhof in den Ansagen.

7.  In Dänemark ist Deutsch im touristischen Umgang, bei der Kameradschaft in Bootshäfen etc. stark verbreitet, so dass es in gewissen Phasen immer wieder „Identitätsdiskussionen“ nach Süden gibt. Vorbildlich sind hier die evangelischen Kirchengemeinden auf der dänischen Grenzseite, in denen die Kirchen, in eigenen Gottesdiensten und anderen kirchlichen Aktivitäten z. B. in Tondern, für die deutsche Minderheit geöffnet werden. Auf deutscher Seite ist bei touristischen Erläuterungen und in Museen nun wacker in der Nachbarsprache „aufgeholt“ worden.

8. In der geografisch engen, nach Süden greifenden niederländischen Region Limburg, gleichsam katholisch wie die belgische und deutsche Nachbarschaft, fühlt man sich nicht wie richtige Niederländer, die im flachen Norden des Landes wohnen. Grenzen sind hier besonders bizarr, letztlich nur an der unterschiedlichen Bierreklame zu erkennen. Der Showmaster und Violinspieler André Rieu hat dies meisterhaft und vielsprachig in seine Großveranstaltungen integriert. Damit kann das deutsch-dänische Grenzland bislang nicht aufwarten.

9. Europa ist in vielen Bereichen national-religiös-ideologisch zerrissen. In der Ukraine wird gekämpft. Im Norden des Kosovo fliegen Rauchbomben. Die OSZE hatte im Donbass nichts an Friedensprozessen ausrichten können. Es wird möglicherweise bis hin zu (nicht-)russischen Regionen im Nordkaukasus nach möglichen Vorbildern für neue Befriedungs- und Verständigungsansätze gesucht werden. Die oben skizzierten Grenzgegebenheiten und der mittlerweile entspannte Umgang dort könnten sehr schnell abgefragt werden.

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