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Europäische Perspektiven nach Russlands Angriffskrieg

Nachbereitung: Vortragsveranstaltung mit dem Europa-Abgeordneten
 Niclas Herbst, Hermann-Ehlers-Akademie, Kiel, 26. September 2022,
„Europäische Perspektiven nach Russlands Angriffskrieg“. 

Krieg um die Ukraine rückt östliche EU-Mitgliedsstaaten stärker in den Fokus

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gilt als Angriff auf die europäische Werteordnung und die europäischen Prinzipien. Die östlichen
EU-Mitgliedsstaaten, darunter Deutschlands direkter Nachbar Polen, erhalten eine besondere Rolle, die dort durch die militärische Unterstützung seitens der  USA und Großbritanniens in Richtung Ukraine besonders markant wird.

Niclas Herbst, Stellvertretender Landesvorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Europa-Union Deutschland sprach innerhalb der Europäischen Union sogar von einer tektonischen Verschiebung, dies anlässlich eines Abendvortrags in der Kieler Hermann-Ehlers-Akademie, in der „Villa“, am Dienstag, dem 26. September 2022. Als Mitglied des Europäischen Parlaments handelte er die „Europäischen Perspektiven nach Russlands Angriffskrieg“ ab. Der Referent erläuterte dies laut Vortragsthema in Form von „Antworten des Europäischen Parlaments“.

Als Mitglied des Haushaltsausschusses legte er konkret die finanzielle Unterlegung der militärischen und anderen Unterstützung der EU und ergänzend der Mitgliedsstaaten dar. Er bezifferte die Hilfen an die Ukraine für alle EU-Institutionen, einschließlich der Europäischen Investitionsbank (EIB), auf 19 Mrd. €. Davon seien bislang 16,4 Mrd. € abgeflossen. Unter Einrechnung der vielfältigen Unterstützung durch Mitgliedsstaaten komme ein Betrag von an die 27 Mrd. € zum Tragen.

Niclas Herbst erläuterte die strategisch-politische Einpassung der Hilfen in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – „GASP“ der EU gemäß Art. 14 Abs. I des EU-Vertrages. Dies geschähe schrittweise. Vor allem zögerten etliche Mitgliedsstaaten, Finanzmittel und weiter Kompetenzen in diesen Bereich zu übertragen. Die Debatte um das Einstimmigkeitsprinzip spielt auch hier hinein. Dennoch sei die GASP bereits heute gut vernetzt mit den Aufgaben der NATO. Herr Herbst wies auf ein bereits niedergelegtes strategisches Konzept hin, das der parlamentarischen Sprache folgend einem „Weißbuch“ entspricht.

Der Referent gliederte die bislang eingesetzten Sanktionspakete gegen Russland genauer auf und erläuterte das beabsichtigte Stufenverfahren. Nun werde am 8. Sanktionspaket gefeilt, mit dessen Verabschiedung im Oktober 2022 gerechnet werde. Es ginge dann um eine starke Einschränkung beim Export von Technologien nach Russland.,

Weiterhin werde seitens der EU eine Unterstützung der Ukraine bei dem Aufdecken und Verfolgen von russischen Kriegsverbrechen näher ausgestaltet. Der Referent warf bereits jetzt einen mutigen Blick auf einen später anstehenden Wiederaufbau der Ukraine und rechnet mit heftigen Diskussionen darüber.

Nach dem Vortrag schloss sich eine lebhafte Debatte mit den Teilnehmern an. Diese hinterfragten insbesondere die Wirksamkeit von Sanktionen und generell North Stream I und II.

Niclas Herbst gab den Zuhörern sehr deutlich mit, dass er als deutscher Abgeordneter verstärkt mit Kritik an Deutschland und einer Zögerlichkeit bei militärischer Unterstützung der Ukraine konfrontiert werde. Dies vor allem auch seitens von Mitgliedsländern, die wie die baltischen Staaten eine sehr freundliche Grundstimmung gegenüber Deutschland hätten. Er ließ offen, ob es sich um substanziell berechtigte Kritik handelte oder um eine schlechte Kommunikation seitens der Bundesregierung.

Jedenfalls legte auch die Abschlussdiskussion mit dem Abgeordneten offen, dass es in Deutschland zu wenig Verständnis für die heftige historische Berührung dieser Ostseestaaten – auch vor allem Polens – mit zwei Diktaturen (nationalsozialistische und stalinistische Besatzungen) gäbe, und Russland dies revitalisiere.

In diesem Zusammenhang erwähnte Niclas Herbst, dass er einem Förderkreis Gedenkstätte Babyn Jar (russische Variante: Babi Jar) nahe Kiew angehöre. Hier führte die deutsche Besatzungsmacht im Herbst 1941 einen Massenmord an den Juden Kiews durch. Und diese Gedenkstätte geriet aktuell in den Beschuss von russischer Artillerie.

Rainer Wiechert,  Altenholz, den 27. September 2022

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