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Europa-Union schöpft aus Immanuel Kants Idee für einen Weltföderalismus

Die Europa-Union Deutschland bekennt sich zu dem Endziel der Vereinigten Staaten von Europa. Somit schauten Mitglieder des Kreisverbandes Rendsburg-Eckernförde mit großem Interesse als Zuhörer auf die Vortragsthesen von
Prof. Dr. Peter Unruh zum Thema: „Immanuel Kant und der Weltföderalismus“.
Prof. Unruh erläuterte Kants Konzept, die einzelnen staatlichen Funktionen weltumspannend zu einer übergeordneten Einheit zusammenzuführen.

Der Abendvortrag fand am Dienstag, dem 29. November 2022 in der Kieler
Förde-Volkshochschule statt. Der freie Philosophiedozent
Dr. Roland Daube hatte aus seinem VHS-Netzwerk und aus der Kieler
Kant-Gesellschaft Freunde des Königsberger Philosophen zusammengeführt.
Schon sehr früh gab es weltweite Verflechtungen. Immanuel Kant hatte dies mit dem Blickpunkt des 18. Jahrhunderts genau wahrgenommen und sah, dass dies – wie heute – nach globalpolitischen Folgerungen verlangte.

Der Philosoph aus Königsberg folgerte aus seiner Vorstellung eines anfänglichen Naturzustandes des Unfriedens ohne regulierenden Rechtsrahmen den Zwang zu Verständigungsmechanismen unter den Menschen. Die Völker müssten aus diesem sehr robusten Zustand auf eine höhere Ebene der Verständigung gehoben werden. Kant legte dazu wichtige Wegmarken in seiner Rechtslehre und seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“.
Der Referent des Abends hob die gedankliche Konsequenz Kants hervor:
Wer eine strenge Verrechtlichung mit klarer Durchsetzung will, der muss unter der bisherigen Staatenkonstellation einen handlungsfähigen Weltstaat wollen. Allerdings sind sich die Kant-Interpreten, so Prof. Unruh, nicht sicher, ob Kant sich nicht selbst in seinem Ansatz widersprochen hat. So bliebe unklar, ob eine staatsanaloge oder eine konföderative Konstruktion angestrebt war. Mit Begriffen belegt: nur ein Bund der Völker – „Völkerbund“, oder Vereinigte Staaten.

Der sonst so klar, teils rigoros und immer intendiert widerspruchsfrei argumentierende Kant wartet dann mit zurückgeführten Varianten auf, in der heutigen Sprache: mit tagespolitischen Kompromissen. Vielleicht ahnte er Widerspruch bei den Völkern gegen den weltumspannenden Weg? Vielleicht sah er bei einem so umfangreichen Weltstaatsgebilde doch Probleme der Rechtsdurchsetzung bis in den letzten Winkel? Sogar Unterschieden zwischen Völkern, evtl. mit Reibungen, habe er auch eine produktive, innovative Rolle zugeschrieben. Prof. Unruh sprach hier von lebhaftem Wetteifer, von rechtlicher Vielfalt, und zur Wahrung dessen von gestufter Souveränität.

Jedenfalls erscheint, so der Referent, nun das Modell eines Völkerbundes in einer Art zweitbester Wahl, zitiert nach Kant: „…wenn nicht alles verloren sein“ sollte. Dennoch würden auch diese unvollendeten Ansätze als Nukleus für Weiterungen, Höherentwicklungen, für das Fortschreiten zum Besseren taugen. So ist Kant dann doch sehr hilfreich, und seine Ansätze können in die Suche nach heutigen Integrationsformen einfließen.
So werden auch UNO-Skeptiker, die Verkarstungen bei Sicherheitsratsentscheidungen bemängeln (immer Vetos durch Russland, dann auch durch China), zugeben müssen, dass es vermehrt sehr klare
UNO-Vollversammlungsbeschlüsse gegeben hat. So wurde nun im Zusammenhang mit dem Krieg um die Ukraine der blockierte Sicherheitsrat ausmanövriert. Allgemein hat sich in der UNO auch abseits des Sicherheitsrats eine „responsibility to protect“, zum Eingreifen in der Welt, herausgebildet.

Auch bei der Europäischen Union hat – in der heutigen Rückschau – die Nukleus-Variante gegriffen, und man ist im Kantschen Sinne zum Höheren fortgeschritten: beginnend vom Schumann-Plan zur Montan-Union, angetrieben durch die List der Geschichte. Denn erst US-Entscheidungen, dem unter Besatzungsregime weilenden westdeutschen Rumpfstaat eine höhere Produktion in der Schwerindustrie zuzugestehen, führten zu der französischen Initiative, durch Hintergrundarbeit von Jean-Monnet. Und Adenauer hat die Chance für die Bundesrepublik Deutschland erkannt und stimmte dem Schumanplan sehr schnell zu.

So kann Kant weiterhin Pate stehen für die Initiativen der Europa-Union Deutschland, noch weiter als über den genannten Nukleus in der europäischen Einigung voranzuschreiten. Der Blick zurück zu Kant für den europapolitischen Blick nach vorn, oder besser: Blick hoch zu Kant, in seinem Sinne: Fortschreiten zum Höheren, zum Besseren.

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