Europa-Union würdigt jüdisches Erbe in Rendsburg
Das Dr.-Bamberger-Haus in Rendsburg beherbergt ein Jüdisches Museum, dass sich nun in neuem Gewand präsentiert, es ist völlig neugestaltet, war es doch früher nur eine reine Künstlerwerkstatt. Die Europa-Union Rendsburg-Eckernförde besuchte mit einer Gruppe diese tätte am 13. August 2024. Damit konnte auch für die im Raum Rendsburg lebenden Mitglieder des Kreisverbandes ein Akzent gesetzt werden. Es reichte dann eine Anreise mit dem Fahrrad, während die Altenholzer per PKW kamen.
Die hiesige Europa-Union wurde nicht erst durch die beklemmende internationale Lage zu diesem Themenbezug jüdisches Leben hingeführt. Eine Reisegruppe des Kreisverbandes besucht im November 2021 den Raum Erfurt und Dessau, die in Erfurt erhaltenen jüdischen Stätten standen damals auf dem Besuchsprogramm. Mittlerweile sind diese Stätten in der Innenstadt im September 2023 zum UNESCO-Welterbe erhoben worden.
Jüdische Geschichte in Rendsburg
Rendsburg wiederum reiht sich ein in die Errichtung von sog. „Toleranzstädten“ im dänischen Gesamtstaat. Nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg konnten Juden wie auch christliche Glaubensgruppen zu komfortablen Bedingungen nach Friedrichstadt, Glückstadt, Altona und eben nach Rendsburg ziehen. Die Landesherren der Herzogtümer Schleswig und Holstein – immer in Personalunion mit der dänischen Königswürde – erwarteten gewerbliche Impulse, innovative Schübe durch die Neusiedler. Die neuen jüdischen Siedler in Rendsburg konnten 1732 ihren ersten Synagogenbau (Vorgängerbau zum heutigen Haus) errichten. Sie durften auch einen jüdischen Friedhof in Westerrönfeld anlegen („Haus der Ewigkeit“), der erhalten und für Besucher zugänglich ist. Die jüdischen Zuzüglinge kamen aus verschiedenen Regionen Europas, die sog. Aschkenasim aus Zentraleuropa, die Sephardim von der lange muslimisch regierten Iberischen Halbinsel bzw. aus dem Osmanischen Reich. Die Sephardim konnten in Schleswig, Holstein und auch in Hamburg ihre alten Geschäftsbeziehungen zum Mittelmeerraum aktivieren.
Die Juden hatten in Rendsburg nicht volle Bürgerrechte, aber immerhin ein Bleiberecht, sie wurden im Vergleich zu ihren Herkunftsorten nicht mehr bedrängt. Im Jahre 1844 gab es 292 Juden in Rendsburg, 1934 nur noch 30. Allerdings ist der Rückgang nicht nur auf die NS-Gewaltherrschaft, sondern früher auf den Weiterzug in größere Städte zurückzuführen, im Rahmen der Judenemanzipation. Die schrittweise Gleichberechtigung (Emanzipation) wurde abgeschlossen in den Herzogtümern Schleswig 1854 und in Holstein 1864. Dies erläuterte eine kompetente Museumsführerin der Gruppe im Einzelnen. Die Benennung des heutigen Museums nach einem anerkannten Arzt Dr. Bamberger weist schon auf die NS-Zeit. Dr. Bamberger war zwar schon durch Übertritt Protestant geworden, aber er erwartete – weiterhin als Jude eingruppiert – eine Deportation. Er beging deshalb 1941 Selbstmord.
Das Dr.-Bamberger-Haus
Die weiteren Erläuterungen fanden draußen vor dem Eingang zum Betsaal statt. An einer Ziegelwand waren die Namen und persönliche Daten von Juden aus Rendsburg vermerkt, ergänzt durch den prominenten Ignaz Bubis aus Frankfurt. Die Verleihung vollwertiger Bürgerrechte an Juden geschah im Rahmen der Französischen Revolution im Jahre 1791, wurde unterschiedlich dann in anderen europäischen Staaten umgesetzt. Nach der deutschen Reichsgründung 1871 geschah dies dann in der gesamtstaatlichen Verfassung. Die Museumsführerin wies darauf hin, dass im Judentum selbst eine heftige Diskussion darüber geführt wurde, inwieweit die Juden sich gesellschaftlich einbeziehen lassen wollten. Dann gab es noch verschiedene Biografien von deutsch sozialisierten Juden und Flüchtlingen aus Polen (damals überwiegend zum Zarenreich gehörig) durch Pogrome in der Heimat.
Das Unheil kam aber nach der NS-Machtergreifung auf alle Juden in Deutschland und während des Krieges anderswo in Europa zu, es sei denn, eine Ausreise gelang bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Dies konnte immerhin für etliche Kindertransporte in Nachbarstaaten wie Niederlande, aber auch wie Großbritannien, die USA realisiert werden. Die Eltern waren dann der Deportation und einem wahrscheinlichen Mord ausgeliefert. Abschiedsszenen auf dem Bahnhof bei Ausreisen sind den erhaltenen Fotos im Museum zu entnehmen. Gleiches gilt für Szenen des jüdischen Alltagslebens und des Sportlebens.
Der ehemalige Betsaal, heute fast leer, konnte nur anhand von historischen Großbildfotografien sichtbar gemacht werden: Darstellung der Thora und der Gebetsabläufe im damaligen Synagogensaal. Die Frauen nahmen von der Empore aus (heue Museumsobergeschoss) am Gottesdienst teil. Im Keller befindet sich das jüdische Bad – Mikwe. Es wurde erläutert, wann ein Mensch jüdischen Glaubens ohne Bekleidung ein Vollbad (mit Untertauchen) nehmen musste. Auch wurden Gegenstände wie Geschirr durch Eintauchen gereinigt (wie in bestimmten Fällen benutztes Geschirr). Die Gruppe konnte die Bedeutung des koscheren Essens erfahren. Ein Tisch war wie am Schabbat gedeckt. Videos und umfassende Textblöcke an den Wänden machten Gegenstände und Alltagssituationen, feierliche Begebenheiten erfahrbar. Es gab Hörbeispiele über Kopfhörer, wie den Gebetsruf zum Yom-Kippur Fest und der Hornklang zum Rosch ha-Shana war zu vernehmen.
In einem Nebengebäude wurde der jüdische Beitrag zum gesellschaftlichen Disput, im Anfangsstadium: zur demokratischen Debatte, deutlich. Berliner Salons, durch Jüdinnen geleitet, waren offen für alle Schichten. Besonders bekannt und niveauvoll leiteten Rahel Levin und Henriette Herz ihre Berliner Salons. Ein Zitat des Dichters Jean Paul aus einem Brief aus dem Jahre 1801 machte mit Hochachtung deutlich, wie alle Bevölkerungsgruppen, vom Adel bis zum Bürgertum, Christen und Juden, einbezogen wurden. Aber die gesellschaftliche Akzeptanz von Juden im öffentlichen Leben war immer von Brüchen, antisemitischen Tendenzen bedroht.
Der Abschluss des Ausflugs
Die Gruppe der Europa-Union fand sich gesellig zum Mittagessen zusammen und tauschte beim italienischen Essen in einem Gewölbekeller Eindrücke aus. Das Programm schloss ab mit einer Besichtigung mit Erläuterungen in der nahen Christkirche. Sie ist sehr großräumig, weil in der Aufbauzeit auch große Garnisonen berücksichtigt werden mussten. Das Militär wurde zum Gottesdienst beordert. Parallel zur Entstehung der Rendsburger „Toleranzstadt“ wurde die Baugeschichte anhand der Kirche durch einen engagierten Kirchenerklärer veranschaulicht.
Während der Erläuterungen in der alten Synagoge wurde schon deutlich, dass es bei der jüdischen Gemeinde in Kiel Unterschiede gibt. Nach eigener Benennung gibt es eine liberale Gemeinde (mit deutscher Tradition) und eine orthodoxe Gemeinde, vornehmlich mit Menschen aus der ehemaligen UdSSR. Etliche leitende Personen gerade der zuletzt genannten Gemeinde waren bei Videos oder durch Textbeiträge im Museum präsent und haben bei der konzeptionellen Gestaltung geholfen.
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